IVAN NESVEDA: NIE IM STILLSTAND!
NIE IM STILLSTAND! ist eine neue Ausstellung des Theaters Alfa im Puppenmuseum in Pilsen. Sie besteht aus 14 Originalexponaten, die das Puppenspielschaffen des Künstlers Ivan Nesveda und seiner Mitarbeiter in den Jahren 1990–2020 aufzeigen und in lebendiger Form bewahren.
IVAN NESVEDA
Ivan Nesveda wurde am 11. Mai 1959 in Cheb geboren, wohin seine Familie 1953 aus Brünn kommend aufgrund einer Arbeitszuweisung umzog. Da sein Vater im Theater tätig war, bekam Ivan bereits im Alter von zwei Jahren seine erste Rolle – als Baby im Kinderwagen liegend im Stück Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller. Mit zwölf Jahren hatte er seine bis dahin größte, diesmal bereits „gesprochene“ Rolle als Bauernsohn in Josef Topols Der Mitternachtswind. Bühne und Schauspiel reizten ihn aber nicht sonderlich. Viel lieber verbrachte er seine Zeit in der magischen Welt des Requisitenraums, der Garderobe, des Perückenraums, in der Malerwerkstatt und hinter der Bühne. Das Puppentheater entdeckte er durch die Amateur-Puppenszene in Cheb bzw. später in Franzensbad und vor allem durch die Puppen von Jaroslav Král und Gustav Nosek, der bis 1974 in Cheb lebte und arbeitete. In der spezifischen Grenzregion entwickelte und bildete er sich künstlerisch bereits ab der Kindergartenzeit in der Kunstvolksschule (Malen und graphische Techniken unter der Leitung von Věra Rajtmajerová und Bildhauerei bei Vladimír Relich). Auf Empfehlung von Miroslav Cygan, Bühnenbildner am Westböhmischen Theater in Cheb, meldete sich Ivan Nesveda zur Aufnahmeprüfung an der Kunstgewerbeschule in Prag-Žižkov. Er wurde genommen, aber nicht für das Fach Bühnenbild, das er ursprünglich angestrebt hatte, sondern für Spielzeuggestaltung und Dekoration. Der dieses Fach leitende unverwechselbare Maler, Bildhauer und Grafiker Professor Jaroslav Bartoš hielt die Schüler zu einer für die damalige Zeit außergewöhnlichen Kreativität an. Als Abschlussarbeit schuf Ivan Nesveda ein Tisch-Puppentheater, und seitdem haben ihn die Puppen nicht mehr losgelassen. Gleich nach der Reifeprüfung im Juni 1978 fand er eine Anstellung als Technologe und Schnitzer am Theater Alfa in Pilsen. Hier lernte er V. Čada, B. Luňáková, M. Pokorný, T. Dvořák, aber vor allem den damaligen Dramaturgen und Regisseur des Theaters Alfa Karel Makonj kennen, der Ivan Nesvedas Sicht auf das dramaturgische Schaffen und seine sich nach und nach entwickelnde kreative Methodik am stärksten beeinflusste. Die Zusammenarbeit mit dem Theater Alfa brach Ivan Nesveda auch nicht ab, als er an die Theaterfakultät der Akademie der musischen Künste (DAMU) ging, um bei Professor Václav Kábrt zu studieren. Während der Studienzeit 1979-1983 arbeitete Ivan Nesveda mit dem Theater Drak in Hradec Králové und schuf gemeinsam mit Zdeněk Říha sein erstes professionelles Bühnenbild für Die böse Ziege (1981). Im Theater Alfa kreierte er anschließend in Kooperation mit Pavel Vašíček das Bühnenbild für die Inszenierung von Der Schatz des alten Weibes (1983) und im Puppentheater Ostrava als Abschlussarbeit Ein Märchen wie ein Streicheln (1982) in der Regie von Irena Křehlíková. Nach der Abschlussprüfung arbeitete er am selben Theater als Technologe und Schnitzer und schuf als Bühnenbildner die Ausstattung für die Stücke Der Schatz des alten Weibes (1983) und Ruslan und Ljudmila (1984). Nach dem Militärdienst kehrte er 1986 ans Alfa in Pilsen zurück, zunächst als Technologe, später als Bühnenbildner und Chefausstatter. In dieser Zeit kooperierte er an Inszenierungen mit renommierten Regisseuren, wie Markéta Schartová Von den drei Schönheiten der Welt (1990), Pavel Polák Eine gelungene Gutenachtgeschichte (1993), Anna Vášová Der Prinz und der Bettelknabe (1988) sowie Guignol in Paris (1989). In dieser Zeit begann auch seine umfangreichste Zusammenarbeit, und zwar mit Tomáš Dvořák (zuerst im Ausland und später an zahlreichen Inszenierungen im heimischen Theater Alfa). Ein spezifischer Teil von Ivan Nesvedas Schaffen betrifft die Kooperation mit Vladimír Čada und Milada Nuslová – Quälerei mit Spaß (1988) und Das Liebespaar aus der Kiste (1991). Von da an ist Ivan Nesveda, wenn auch mit zwei Unterbrechungen, als er an der Kunstvolksschule in Nýřany und der Kunstgewerblichen Mittelschule und Kunstgrundschule Zámeček in Pilsen unterrichtete, Stammmitarbeiter des Theaters Alfa. Er arbeitete aber auch mit weiteren Puppentheatern und Ensembles in Tschechien und im Ausland, z. B. in Prag, Kladno, Liberec, Dresden, Stettin oder Košice. Anfang der 90er Jahre traf er Jiří Fiala und begann eine Zusammenarbeit mit dem Puppentheater V Boudě, das er selbst mitgegründet hat. Für das Theater V Boudě schrieb er auch sein erstes Stück Jossile Golem (1993). Bis heute sind es etwa zehn, fünf davon setzte er im Theater Alfa um: Der einsame Riese (2004), Ach, die Frau Myšuta (2006), Die Birken-Rosa (2010), Der Ritter Wynda und die verwunschene Margarete (2012) sowie Die störrische Prinzessin (2018).
Aus der Werkstatt von Ivan Nesveda stammen viele interessante Inszenierungen, so in Liberec die Stücke Der kopflose Ritter (1993), Alibaba und die 40 Räuber (1994), Der schöne Feuerwehrmann oder Brand im Nationaltheater (2005) und Schwanensee (2009). In Pilsen, wo er für die unverwechselbare Poetik des Theaters Alfa steht, war er unter anderem Bühnenbildner der Stücke Ein Stern geht auf über Betlehem (1990), Prinzessin Goldhaar (1993), Der kleine und der große Tom (1996), Der Hund von Baskerville (1997), Häuptling Abendwind oder Das gräuliche Festmahl (1998), Rikki-Tikki-Tavi (2001), Liebe rettet alles (2002), Die Galgentoni (2003), Die drei Musketiere (2006), Der Kasper und die Indianer (2007), Königspoker oder Der schwarze Gott und die Israeliten (2010), Das Lebkuchenhaus (2011), Die Geschichten der Schafsoma (2014), Der Arzt wider Willen (2016) und Die störrische Prinzessin (2018). 2019 realisierte er mit Regisseur Tomáš Dvořák die Abenteuerkomödie Achtung, Zorro! (2019) als Ausstattungsstück.
Ivan Nesveda wurde für seine Inszenierungen auch im Ausland mehrfach ausgezeichnet, z. B. beim Internationalen Puppentheaterfestival PIF in Zagreb oder beim Internationalen Kindertheaterfestival im serbischen Subotica (für die Inszenierung von Der Kasper und die Indianer, 2007). Für die Handpuppengroteske Die drei Musketiere erhielt das Theater Alfa fast dreißig Auszeichnungen – u. a. zwei Nominierungen für den Alfréd-Radok-Preis oder den Zuschauerpreis des Internationalen Festivals moderner Puppenspielkunst für Kinder und Erwachsene Bábkarská Bystrica. Dieser Inszenierung verdankt das Theater auch die höchste Auszeichnung ERIK beim Festival Einer flog übers Puppennest. Andere Inszenierungen, an denen Ivan Nesveda mitgewirkt hat, wurden auf dem Festival Mateřinka Liberec, auf dem Festival Skupova Plzeň oder dem Festival Dítě v Dlouhé prämiert.
Einige von Ivan Nesveda bearbeitete Inszenierungen reisten auch ins Ausland. Das Stück Der einsame Riese (2003) gastierte auf einem Workshop von Amateurpuppenspielern im japanischen Takasaki. Großen Erfolg beim internationalen Publikum hatten außerdem Die drei Musketiere. 2009 wurden im Rahmen des Internationalen Puppentheaterfestivals in Tel Aviv (Israel) fotografische Porträts von Puppen des Theaters Alfa ausgestellt. Der Künstler Jan Rauner präsentierte das Schaffen mehrerer tschechische Bühnenbildner und Künstler, einschließlich das von Ivan Nesveda.
2020 wurde im Puppenmuseum in Pilsen eine weitere ständige Ausstellung zum Schaffen von Ivan Nesveda eröffnet, obwohl der Autor selbst seine Puppen nicht so gern ausstellt. In einer passiven Präsentation verlieren die Puppen seiner Meinung nach ihren Sinn, der nur im Kontext eines dramatischen Werks funktioniert. Ivan Nesveda versuchte, diesen Widerspruch durch Installierung kinetischer Bühnen zu lösen, auf denen der Zuschauer die Puppen mittels eines ausgeklügelten Mechanismus selbst in Bewegung versetzt. Im zweiten Stock des Puppenmuseums entstand somit nach Worten des Autors eine, „Arche Ivan“, wo die Besucher Auszüge aus 14 Inszenierungen von Ivan Nesveda sehen können. Wir hoffen, dass die Ausstellung kleinen wie großen Besuchern gefällt und die ausgestellten Puppen somit NIE IM STILLSTAND sind!